SMart Utilities – Matthias Bade

SMart Utilities

von / by M a t t h i a s B a d e

Kuratiert von / curated by Denise Parizek

SMart Utilities

Pictures of the exhibition





Photocredits by Marcus Zobl
Der Weg der Planung eines Kunstprojektes bis hin zur finalen Inszenierung in der Galerie ist ein langer und oftmals auch irreführender. Gespräche zwischen Künstler und Kuratorin führen vom einen zum anderen, ufern aus, morphen ins Barocke: Am Ende steht eine Ansammlung von Ideen, Begriffen, Befindlichkeiten.

Dann gibt es den Moment, in dem sich Paralleluniversen auftun und Grenzen kaum mehr zu halten sind: Die Verstricktheit der Thematik, die Entwicklung der Politik und das Zeitgeschehen, das Eigenleben des Künstlers sind kaum noch zu trennen. Die Bilder die gemalt werden müssen, nicht weil Kuratoren und Galeristen es erwarten, sondern weil sie ans Licht drängen oder aus dem Pinsel herausfließen.

Matthias Bade und ich fingen bei der Faszination der SUV´s an. Beeinflusst von Texten über Fetischismus von Simon Pühler betrachteten wir dieses Meta Auto als Fetisch des 21. Jhdts., der eine gewisse Egalität der Benützer evoziert.

Grundsätzlich ist der Begriff “smart” im deutschsprachigen Raum auf elektronische Skills fokussiert. Die Herausforderung an uns heute ist, schlau zu sein, alles zu durchschauen, immer und überall bereit zu sein. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, brauchen wir Utensilien, die unser Leben verbessern, effizienter machen. Je mehr wir uns diesen Helferleins hingeben, umso mehr geben wir von uns selbst preis. Die so genannten Smart Utilities sind kluge Datensammler, die in Zukunft unser Leben beeinflussen werden. Versicherungen spähen unsere Lebensgewohnheiten aus, Supermärkte unser Kaufverhalten, Kameras im Öffentlichen Raum unsere Bewegungen und unsere Computer geben uns Einkaufstips, die sich auf den Inhalt unserer letzten Mails beziehen.

Optimierte neue Welt mit optimierten Menschen – und all das finden wir so unheimlich smart.

Matthias Bade erweitert diese begriffliche Abgrenzung und versucht dahinter zu schauen:

Was ist Smart in unserer schönen neuen Welt?

*Smarte Geschmacksverstärker

Fette, als Geschmacksträger, absolute smarte tools, die unsere Speisen optimieren

*Smarte Tools

Das cleverste Werkzeug zur Speisenzubereitung ist immer noch das Küchenmesser, längst zum Fetischobjekt in allen möglichen und fast schon unerschwinglichen Varianten geworden, in zahlreichen Food-Magazinen zu stylischen Settings vor toskanischem Idyll abgebildet.

*Smarte Wohnbauprojekte

Ein smartes Bauobjekt, wie das im Zentrum Hannovers, ein ungeheures Betonmonstrum, über den Zusammenfluss zweier Flüsse gestülpt, das vielen tausenden Stadtbürgern ermöglicht am Wasser und seinen Auen, also in einer quasi-ländlichen Umgebung zu wohnen. Das war die smarte Idee hinter dem Plan, aber sie ist nicht aufgegangen: Die Anlage verslumt, die viel zu groß angelegten Rampen, Gänge und Treppenhäuser drohen zu einem leeren unbelebten Steinmoloch zu werden, der über einen der beliebtesten Ausflugsziele der Hannoveraner bedrohlich thront.

*Smarte Drogen

Kein Wunder, dass eine solche Leistungs- und Beschleunigungswelt ihren Druck irgendwo kompensieren muss, darum gibt es Beruhigungsmittel und Optimierungsdrogen.

Die heißen dann Ketamin, zum Runterkommen und Ausspannen, Kokain oder Extasy für mehr Effizienz in der Beschleunigungsgesellschaft oder Speed (in Holland Pepp), was aufpeppen oder ein Hoch-Tunen suggeriert.

*Smart Phones

*Smart Surveillance / Überwachung

*Smarter Kühlschrank

*Smartes Heizungssystem

*Smartes Gesundheitssystem

Es wird von uns Menschen verlangt, immer smarter zu werden, als Herausforderung der Zeit, da eine sich ständig wandelnde Zukunft neuen, angemessenem Umgang mit ihr verlangt.

Die Werbung überhöht diesen Druck, indem sie den zu bewerbenden smarten Objekten abenteuerliche Settings unterlegt und uns deren Unabkömmlichkeit suggeriert.

Ungeachtet der Konsequenzen lassen wir uns verführen und merken dabei kaum noch, wie unklug wir uns verhalten und dabei mantrahaft SMART vor uns her murmeln.

Wer jetzt die Variationen der SUV´s, der ach so smarten, umweltverpestenden, viel zu schweren und Benzin fressenden Autos, vermisst, der möge nachsichtig sein und den ausgestellten Bildern einen zweiten Blick schenken:

Ein Künstler muss tun, was er tun muss.
 Die Kunst muss geboren werden, wenn sie an die Oberfläche drängt.
 Die Absenz von SMART Utilities erzählt uns mehr: Von unseren Bedürfnissen. Und von der künstlerischen Notwendigkeit auf Entwicklungen und Bewegungen in Zeit, Gesellschaft und Politik einzugehen.

SMart Utilities

The way from planning an art project to finally installing it in the gallery is a long and often misleading one. Talks between artist and curator lead from one to the other, meandering from here to there, morphing into the Baroque, finally producing an accumulation of ideas, concepts, feelings.
Then there is the moment in which parallel universes open up and borders can hardly be maintained: The entanglement of the subject, the development of politics and current events, the private life of the artist. Some images need to be painted, not because curators and gallerists have come to expect it, but because they have to emerge to visibilty or flow out of the brush nearly by their own.

Matthias Bade and I started with our fascination with the SUV, influenced by texts on fetishism by Simon Pühler. We looked at this meta car as a fetish of the 21st century, which evokes a certain equality of the user.

Basically, the term “smart” is focused on electronic skills in German-speaking areas. The challenge for us today is to be smart, to be ready – always and everywhere. To live up to these demands, we need utensils that improve our lives efficiently. The more we indulge in these helpers, the more we give of ourselves price. The so-called smart utilities are smart data loggers that will affect our lives in future times. Insurance peeking out of our habits, supermarkets spy out our buying behavior, cameras in public spaces watch out and shoot our movements and our computers give us shopping tips relating to the content of our last mail.

Optimized new world with optimized people – and all that we find so scary smart.

Matthias Bade extended this distinction and tried to look behind it :

What ‘s smart in our brave new world ?

* Smart flavor enhancer

Fats, as a flavor carrier, absolute smart tools that optimize our food.

* Smart Tools

The smartest tool for preparing food still is the kitchen knife, turned into a fetish object in all possible and almost prohibitive variations.

Well known variants displayed in many food magazines to stylish settings before Tuscan idyll.

*Smart housing projects

A smart building project, as in Hanover’s city center: a huge monster made of concrete, built at the confluence of two rivers, so that many thousands of townspeople can live at the water site and near its meadows, in a quasi-rural setting. That was the smart idea behind the plan. It worked out differently: The area slowly turns into a slum, the much too large-scale ramps, corridors and stairwells are at risk of becoming an empty inanimate moloch made of stones, towering menacingly over one of the most popular attractions for the Hanoverian.

* Smart drugs

No wonder that this world of power and acceleration must compensate its pressure somewhere, so there is the sedative drug and the optimization drug.

Ketamine, to come down and relax, ecstasy for more efficiency in the acceleration company or speed (in Holland Pepp), which suggests jazzing up or high-tuning .

* Smart phones

* Smart Surveillance / Monitoring

* Smarter Refrigerator

* Smart Heating System

* Smart Health System

Whether its an internal need for adapting to an ever-changing future, or it’s a demand brought to us from somewhere outside: People have to be smart.

Advertising excessively rises the pressure we might feel by placing smart products in adventurous settings, indicating we might not be able to live without them. Or even if we could live without them: how ordinary boring we would be. Dismissing the consequences we give in to the allurement, not realising how foolish we behave while muttering our mantra SMART.

Who is missing the variations of images of SUVs now, the oh-so-smart, pollutive, too heavy and gas-guzzling cars, be lenient and have a second look at the exhibited images:

An artist has to do what an artist has to do. Art must be born if it pushes to the surface. The absence of SMART Utilities tells us more: It questions our needs and accounts for the artist’s need to react to developments in humanity, politics and society.

S U V ´ s d e r M e t a f e t i s c h  i m 21 . J a h r h u n d e r t
Der erste Fetisch der egalitär ist und keinerlei Geschlechter Unterschiede evoziert.
S U V – f ü r S i e , I h n , E s
• Geräumig, praktisch, vielseitig
• Eleganz einer Limousine
• Für die ganze Familie
• Fahrspaß auf ganzer Linie
• Vielseitig und stark
Die Slogans der SUV Anbieter könnten unterschiedlicher nicht sein:
Ein Vehikel, welches die traditionellen Werte des sportlichen Vaters, der engagierten Mutter, des Managers ebenso wie des Waldarbeiters, des Singles genauso wie des Familienmenschen
entspricht und die geheimen Wünsche aller bedient.
Utopie möchte ich da schreien. Realität ist die Tatsache.
Kein Stadtbild ohne SUV´s.
In jedem SUV eine Einzelperson, durchmischt in Geschlechtern beziehungsweise sozialen Schichten.
SUV stellen eine Art Schichten übergreifendes “must” in unserer Zeit dar.
Der letzte Kitzel des modernen Menschen findet auf der Strasse statt, der Ort wo Kräfte gemessen werden, Adrenalin ausgeschüttet und das Image des Einzelkämpfers gelebt
wird. Das hohe Ross wurde gegen ein aufgebocktes Auto ausgetauscht.
G E N D E R
Die Zeit der offensichtlichen Schubladierungen ist vorbei, langes Objektiv = kleiner Penis hat keine Relevanz mehr in der Digitalen Welt von heute.
PS sind da schon zuverlässiger.
Der SUV beendet auf dem Gebiet der Automobile die traditionellen Geschlechterrollen beziehungsweise die sozialen Geschlechtsmerkmale.

SUV´s sind Intersexuell – sie unterliegen weder “gender role” noch “gender identity”.

WA R E N F E T I S C H
“Sie sind protzige Statussymbole, umweltzerstörende Zivilisationspanzer und auch das schlechte Gewissen ihrer Besitzer:
SUVs, kostspielige Jeep-Limousinen, wie sie in Deutschland immer mehr gehasst und dennoch mehr verkauft werden.
Der Maler Matthias Bade widmet der hypertrophen Luxuskarosse einen Bildzyklus.
Was macht die merkwürdige Faszinationskraft dieser sperrigen Vehikel aus?
Handelt es sich hier um Objekte in der Tradition schwarzer Roma ntik oder ist das einfach Biedermeier 2.0.?”
                                                                                                                 TEXT von Simon Pühler / Kulturwissenschaftler
„Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten.
Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten.
So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert
werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.“
                                                                                                                    TEXT von Karl Marx, Das Kapital, Erster Band